Projektleiter

Prof. Dr. Jürgen Paul

Bearbeiterin
Arbeitsbereich I

Ulrike Berndt, M.A.

Bearbeiter
Arbeitsbereich II

Dr. Wolfgang Holzwarth

 

Weitere Phasen:

2008–2012 (D5)
2004–2008 (D5)

Projektbereich B: Beutekrieg und Staatlichkeit, Teilprojekt B2

Nomadische Herrschaft im seßhaften Kontext:
Staatenbildung in Mittelasien im 16. und 18. Jahrhundert

Programm

Dieses Projekt verfolgt die Geschichte eines Staatswesens, das durch die Eroberung und Einwanderung einer nomadischen Stammeskonföderation in eine Misch- und Übergangszone zwischen Kulturland und Steppe in Mittelasien entstand. Um 1500 drangen die von Muhammad Shaibani Khan geführten Usbeken in die damals als "Mawarannahr" und "Khorasan" bekannten Landschaften (etwa: das heutige Usbekistan und Nordafghanistan) vor. Es war dies der letzte große Einfall nomadischer Gruppen aus der großen Steppe in diese, von seßhaften Gruppen, Bewässerungslandwirtschaft und Städten mitgeprägte Übergangszone, in der usbekische Dynastien noch bis 1920 regierten.

Beide Arbeitsbereiche ergänzen einander. Sie erkunden in einem großen zeitlichen Längsschnitt, wie und in welchem Ausmaß die mittelasiatischen Staaten seit 1500 von Nomaden dominiert waren. Gefragt wird allgemein nach Phänomenen des Übergangs und Wandels. Wie etwa adaptierten sich die nach Mittelasien eingewanderten nomadischen Gruppen in ihrer Wirtschaftsweise und Lebensform an die sozialen und ökologischen Bedingungen der Mischzone? Im Zentrum der Untersuchungen stehen Entwicklungen (Kontinuitäten, Umwandlungen und Brüche) im Bereich des Staats- und Militärwesens.

Beide Vorhaben sind historisch-philologisch ausgerichtet. Innerhalb der jeweils zu erschließenden Quellenfelder sind Urkunden (auch literarisch überlieferte Urkunden) von besonderer Bedeutung.

Arbeitsbereich I (16. Jahrhundert)

Im Zuge der Eroberung Transoxaniens durch Muhammad Shaibani Khan gelangten um 1500 große Gruppen usbekischer Nomaden aus der nördlich gelegenen Steppe (Dasht-i Qipchaq) in die Region. Das Projekt untersucht die Entstehung und Entwicklung des Staatswesens, das aus diesen Ereignissen hervorging und dessen Führungsschicht und militärische Basis der nomadischen Kultur entstammte.

Es wird danach gefragt, welche Formen des Nomadismus in Mittelasien existierten und wie sich die eingewanderten Nomaden daran anpaßten; ebenso, welche Veränderungen es in der politischen Struktur der nomadischen Gruppen gab und wie der Staat diese Gruppen in die Herrschaft einbezog. Von besonderem Interesse ist die Art und Weise, in der die shaibanidischen Herrscher ihre militärischen Unternehmungen organisierten und ausführten; daraus sollten Rückschlüsse darauf möglich sein, wie stark das nomadische Element in Mittelasien war und ob sich daran im Laufe der Jahrzehnte etwas änderte. Als Quellen werden dazu vor allem persischsprachige historiographische Werke und Urkundenmaterial aus Mittelasien und Iran herangezogen, daneben sind auch Hagiographien nutzbar.

Arbeitsbereich II (18. Jahrhundert)

Im zweiten Arbeitsbereich des Projekts wird erkundet, inwieweit zwei bis drei Jahrhunderte nach der Eroberung Mittelasiens durch eine nomadische Stammeskonföderation Züge nomadischer Herrschaft in einem von Seßhaften und städtischen Zentren mitgeprägten sozialen Umfeld fortdauerten bzw. beschränkt wurden. Thematisiert werden Prozesse der Sedentarisierung bzw. die Herausbildung von Misch- und Übergangsformen. Neben Veränderungen in der Wirtschaftsweise und Lebensformen der eingewanderten usbekischen Gruppen interessieren hier in besonderem Maße Entwicklungen in der Staats- und Militärorganisation - zumal die Rolle usbekischer Gruppen im politischen Gefüge der mittelasiatischen Staaten. Regional konzentriert sich die Untersuchung auf den Staat Buchara, dessen Territorium im Laufe des 18. Jahrhunderts beträchtlich schrumpfte. Neben narrativen Quellen und - vorwiegend russischen - Reiseberichten sollen vor allem Urkunden und urkundenähnliches Material als Quellen für die aufgeworfene Forschungsfrage erschlossen und ausgewertet werden.

Publikationen

Prof. Dr. Jürgen Paul

The State and the Military – a Nomadic Perspective. In: Mitteilungen des SFB "Differenz und Integration" 5 (2003), 25–68.

Nomaden in persischen Quellen. In: Mitteilungen des SFB "Differenz und Integration" 1 (2002), 11–40.

(Hg.): Katalog sufischer Handschriften aus der Bibliothek des Instituts für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften, Republik Usbekistan. Stuttgart 2002 (Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland, Supplementband 37).

The Histories of Isfahan: Mafarrukhi's Kitâb mahâsin Isfahân. In: Iranian Studies 33 (2000), 117–132.

The Histories of Herat. In: Iranian Studies 33 (2000), 93–115.

Doctrine and Organization. The Khwâjagân-Naqshbandîya in the First Generation after Bahâ'uddîn. Berlin/Halle 1998 (ANOR 1). Russische Übersetzung als: "Doktrina i organizacija Chwadzhagan-Naqšbandija v pervom pokolenii posle Bacha' ad-dina" (Übersetzung: E. Berezina). In: A. Chismatulin (Hg.): Sufizm v central'noj Azii. Zarubezhnye issledovanija. Sankt Peterburg 2001, 114–199.

Herrscher, Gemeinwesen, Vermittler: Ostiran und Transoxanien in vormongolischer Zeit. Stuttgart 1996 (Beiruter Texte und Studien 59).

The State and the Military: The Samanid Case. Bloomington (Ind.), 1994 (Papers on Inner Asia 26).

The Histories of Samarqand. In: Studia Iranica 22 (1993), 62–92.

Die politische und soziale Bedeutung der Naqšbandiyya in Mittelasien im 15. Jahrhundert. Berlin 1991.

Hagiographische Texte als historische Quelle. In: Saeculum 41 (1990), 17–43.


Dr. Wolfgang Holzwarth

Sources of Gilgit, Hunza and Nager History (1500–1800) and Notes on the Oral Roots of Local Historiography. In: H. Kreutzmann (Hg.): Karakorum in Transition. Karachi/Oxford. Im Druck.

Nomaden und Seßhafte in turkî-Quellen (narrative Quellen aus dem frühen 16. Jahrhundert). In: Mitteilungen des SFB "Differenz und Integration" 2: Akkulturation und Selbstbehauptung (2002), 147–165.

Shaibaniden und Khanfürstentümer – Geschichte. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.): Islam – Kunst und Architektur. Köln 2000, 431–435.

Change in Pre-Colonial Times. An Evaluation of Sources on the Karakorum and Eastern Hindukush Regions (from 1500 to 1800). In: I. Stellrecht (Hg.): Karakorum–Hindukush–Himalaya: Dynamics of Change. Köln 1998, 297–337.

Ein Kriegszug in das Bashgal-Tal (um 1790) und sein regionalpolitischer Kontext. In: Strany i narody Vostoka (St. Petersburg) 30 (1998), 369–384.

Islam in Baltistan. Problems of Research on the Formative Period. In: I. Stellrecht (Hg.): The Past in the Present: Horizons of Remembering in the Pakistan Himalaya. Köln 1997, 1–40.

Chitral History, 1540–1660. Comments on Sources and Historiography. In: E. Bashir/Israr-ud-din (Hg.): Proceedings of the Second International Hindukush Cultural Conference. Karachi 1996, 117–134.

Die Ismailiten in Nordpakistan. Zur Entwicklung einer religiösen Minderheit im Kontext neuer Außenbeziehungen. Berlin 1994 (Ethnizität und Gesellschaft. Occasional Papers 21).

Sich verständlich machen: Tak und Shamlar aus Kamdesh beantworten einen Fragebogen des Generals Auguste Court zum 'kafirischen Lebensstil'. In: C. Elsas/R. Haffke/H.-M. Haussig u. a. (Hg.): Tradition und Translation. Zum Problem der interkulturellen Übersetzbarkeit religiöser Phänomene. Berlin/New York 1994, 179–199.

Vom Fürstentum zur afghanischen Provinz – Badakhshan 1880–1935. Soziale Prozesse in einem zentralasiatischen Grenzgebiet. Berlin 1990.


Ulrike Berndt, M.A.

Mitarbeit: J. Paul (Hg.): Katalog sufischer Handschriften aus der Bibliothek des Instituts für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften, Republik Usbekistan. Stuttgart 2002 (Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland 37).