Abschlussausstellung

"Sehnsucht nach der Ferne"

Projektwoche des Leipziger Immanuel-Kant-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit dem SFB 586

(23.-27. Januar 2012)

Pressemeldung

Wir danken den 13 teilnehmenden Schülern und Schülerinnen der Klassenstufe 7 sowie der Lehrerin Frau Viola Twalawadse für ihr tolles Engagement. Eindrücke der Schüler von ihren "Brisanten Begegnungen" mit dem nomadischen Leben finden sich im Folgenden in den selbstverfassten kleinen Geschichten.


Brisante Begegnungen...

…mit dem Arbeitsalltag der Nomaden

 Steinharter Käse als Reiseproviant

"Ab 6.00 Uhr melken die Mädchen die Schafe. Dabei schafft ein Mädchen am morgen 50 Schafe. Sie müssen ab dem 10. Lebensjahr mit anpacken.

Danach bringen sie die Milch zur Mutter, die entweder die Milch in einem Sack zur Butter verarbeitet, indem sie den Ledersack schüttelt, oder die Milch in einer Zentrifuge in fettarme Milch und Sahne teilt. Dieser Vorgang dauert ca. 30 Minuten. Aus der Milch machen Nomaden Butter, Käse und Joghurt. Käse und Joghurt legen sie in die Sonne, damit diese austrocknen und so konserviert werden.

Die Schafe und Ziegen werden 2x im Jahr geschoren. Nachdem die Männer die Ziegen und Schafe geschoren haben, kämmen die Frauen die Wolle und die Großeltern spinnen sie. Das ist eine sehr zeitaufwändige Angelegenheit. Nun wird die Wolle zu einem Färber in die Stadt gebracht und anschließend im Zelt der Nomaden gewebt.

Die Männer hüten die meiste Zeit das Vieh und betreiben Viehhandel, die Frauen verkaufen die Produkte aus der Viehzucht auf dem Markt. Obwohl die Nomaden solch großen Arbeitsaufwand haben, verdienen sie sehr wenig."

... mit dem Raupenpilz

 Raupenpilz - das 'weiche Gold' ist Haupteinnahmequelle vieler Nomadenfamilien in Osttibet (c) Janka Linke 2011

"Wir lernten in dieser Woche den Raupenpilz kennen. Dies ist ein Pilz, der im Osten des tibetischen Hochlands in China wächst.

Er ist meist ganzjährig der Lebensunterhalt von einheimischen Nomaden. Das Einkommen von einem Stück Raupenpilz beträgt ca. 5-10 €. Die Pilze wachsen im Sommer und werden im Mai und Juni geerntet. Die Schmetterlingsraupen werden von Pilzsporen befallen und aufgefressen. Danach bildet sich im Frühjahr ein Fruchtkörper, und zwar an der Erdoberfläche. Der Ertrag aus dem Verkauf des Raupenpilzes reicht aus, dass die Nomaden davon leben können.

Außerdem gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen den Raupenpilzsammlern. Allerdings ist der Raupenpilzhandel kein unendlicher Kreislauf. Der Raupenpilz wächst vorwiegend auf durch Yaks beweideten Böden. Viele Nomaden haben jedoch ihre Tiere aufgegeben und hoffen auf ein besseres Leben durch den Raupenpilz.
Die Raupenpilze können auch in einer Geschenkebox verschenkt werden, und die reichen Chinesen essen den Pilz, weil sie denken, dass der Pilz Krankheiten heilt."

... mit dem Strauß

 Textilfertigung aus Tierwolle

"Der Strauß wird von den Nomaden gegessen und gejagt, meist wegen seiner Federpracht. Unter den schwarzen Federn des Straußes befinden sich schöne silberne Federn.

Damit die Kinder nicht von Krankheiten und dem bösen Blick befallen werden, wurden die Federn des Straußes an der Kinderwiege befestigt. Der böse Blick wurde von Menschen ausgelöst, die neidisch, wütend oder eifersüchtig auf die Neugeborenen waren.

Da in der kargen Steppe keine Blumen wachsen, schenkten die Nomaden ihrer Geliebten einen Strauß aus schönen Federn statt eines Blumenstraußes. Männer begaben sich auf die Jagd nach Straußen, um ihre Männlichkeit zu beweisen."

... mit Sesshaften

 Begegnung mit einem Hamburger Bürgermeister im Karakulmantel (aus Fellen der von Nomaden gehaltenen Karakulschafe in Zentralasien)

"Nomaden und Sesshafte begegnen sich auch heute noch, z.B. auf Märkten. Die Sesshaften 'kaufen' die Wolle der Nomaden und färben sie mit natürlichen Färbemitteln. Anschließend wird die Wolle an die Nomaden 'zurückverkauft', welche dann die Wolle zu Teppichen und Kleidungsstücken verarbeiten.

Eine andere Begegnung ist die der Nomaden mit dem Staat. Der Staat hat keine Kontrolle bzw. keine Übersicht über die Nomaden. So versucht der Staat die Nomaden zu finden und sesshaft zu machen. Oft gibt es auch Streit zwischen Nomaden, z.B. wenn sich Nomadenstämme nicht einigen können, wem ein Stück Land gehört. Der Staat regelt das nicht, weil er z.B. Angst hat, und so sind die Nomaden sauer."

... in Poststationen und Karawansereien

 Weidemanagement aus der Schülerperspektive

"Zuerst wurden die Poststationen gebaut, um genau zu wissen, was gerade im Land passiert. Solche Poststationen wurden im Abstand von etwa 30 km errichtet, da nach diesem Weg die Pferde und Kamele nicht weiter laufen konnten. Insgesamt erstreckte sich die ganze Poststations-
verbindung über mehr als 1000 km. Sie begann bei Kairo und führte dann durch das heutige Israel bis nach Bagdad.

Später baute man die Poststationen zu Karawansereien um. Nun konnte man dort auch übernachten und mit anderen Reisenden Informationen austauschen. Das war zum Beispiel sehr praktisch, um zu wissen, wo viel Gras für das Vieh wächst, sich viele Räuber befinden oder wo die Preise für Schafe, Ziegen und andere Dinge sinken oder steigen."

... mit dem Wolf

 Leipziger Kantianer vor dem Hamburger Völkerkundemuseum

"Mit dem Wolf verbinden die Nomaden Stärke und Mut. Aus Respekt nennen sie ihn nie beim richtigen Namen (also Wolf) sondern umschreiben ihn mit 'das Tier' oder 'das Lebewesen'.

Wenn eine nomadische Frau mehrere Fehlgeburten hatte, wurde das darauffolgende Kind durch ein gesäubertes Wolfsskelett getragen und bekam (so der Glaube) dessen Kraft und Stärke, die es zum Überleben brauchte.

Auch eine Wolfskralle von einem selbst erlegten Wolf sollte dem Träger dessen Macht, also Kraft, Tapferkeit und Mut übertragen."

Wochenrückblick

 Schüler der Klassenstufe 7 des Immanuel-Kant-Gymnasiums beim Nomadenspiel

"Am ersten Tag unserer Projektwoche, Montag der 23. Januar 2012, begannen wir uns über unser Thema 'Sehnsucht nach der Ferne' Gedanken zu machen. Wir haben uns auf das Leben von Nomaden spezialisiert. Nachdem wir uns mit dem Thema auseinander gesetzt hatten, kamen zwei junge Doktoranden zu uns und stellten uns ihre Arbeit über die Nomaden vor. Die Gebiete in denen sie forschen, heißen Marokko und tibetisches Hochland. Die Erkenntnis war, dass sich das Leben der Nomaden von früher zu heute stark verändert hat. Für viele dieser Viehzüchter ist es schwerer geworden, dass nomadische Leben beizubehalten.

Am Dienstag probierten wir das 'Nomadenspiel' aus. Es gibt davon nur zwei Exemplare auf der ganzen Welt. In diesem Spiel ging es darum, das Vieh einer nomadischen Familie zu schützen und zu ernähren. Außerdem musste man mit einer bestimmten Anzahl Münzen auskommen. Das Spiel war zwar kompliziert, aber wir waren hocherfreut, dieses Spiel ausprobieren zu dürfen.

Mittwoch war Tag der großen Reise. Wir fuhren nach Hamburg um uns die Ausstellung 'Brisante Begegnungen – Nomaden in einer sesshaften Welt' anzuschauen. Bei unserem ersten Besuch verschafften wir uns erstmal allein einen Überblick. Was wir am Mittwoch nicht richtig deuten konnten, wie z.B. steinharten Joghurt oder die Verständigung über 1000 km ohne elektronische Medien, wurde uns am Donnerstag erklärt.

Die Nacht zum Donnerstag hatten alle gut überstanden und wir machten uns mit neuer Energie wieder auf zum Museum. Dort empfingen uns zwei Experten, die uns nun durch die Ausstellung der Nomaden führten. Wir sahen sie nun mit ganz anderen Augen! Erst jetzt wurden uns der Unterschied und doch die vielen Verbindungen von Stadt und Land (Nomaden) deutlich. Zudem war das nomadische Leben in Kontinente unterteilt. Am Mittag fuhren wir mit erweitertem Wissen zurück nach Leipzig.

Nun sehen wir das nomadische Leben aus einer ganz anderen Sichtweise als am Beginn der Woche."