Colloquium:
Kamel, Pferd und Rentier: Herdentiere und die Mobilität der Nomaden

28.10.2005

Venue: Leipzig, Vortragsraum der Universitätsbibliothek "Albertina", Beethovenstraße 6
Date: October 28th, 2005, 9.00 a.m. – 6.00 p.m.

Programme

October 28th, 2005
Leipzig, Vortragsraum der Universitätsbibliothek "Albertina", Beethovenstraße 6

9.00 a.m.

Reception and introduction

9.15 a.m.

Thomas Staubli, Freiburg (CH):
Tiere von Nomaden in der südlichen Levante der Eisenzeit

10.00 a.m.

Rainer Czichon, Berlin:
Die Darstellung von Dromedaren und Trampeltieren in der neuassyrischen Flachbildkunst

10.45 – 11.15 a.m.

Coffee break

11.15 a.m.

Marjan Mashkour, Paris / Emmanuelle Vila, Paris / Yann Lahaye, Frankfurt/M.:
Does intra-tooth strontium stable isotope analysis of sheep provide coherent answers to the Bronze Age herd mobility in Syria?

12.00 p.m.

Anna Akasoy, London:
Zur Kamelbeschreibung in der arabischen Dichtung

12.45 - 2.45 p.m.

Lunch

2.45 p.m.

Anett Christine Oelschlägel, Leipzig:
Herdentiere als Grenzgänger – Wildnis, Wild und Herdentiere am Beispiel der nomadisierenden West-Tyva im Süden Sibiriens.

3.30 p.m.

Rolf-Peter Lacher, Gammertingen:
Pferdenomaden in der Mongolei. Tradition unter dem Druck der Wirtschaftlichkeit

4.15 – 4.45 p.m.

Coffee break

4.45 p.m.

Florian Stammler, Rovaniemi (FIN):
Herd following, herd accompanying, herd control: Decision making and mobility among Eurasian reindeer herders

5.30 - 6.00 p.m.

Concluding discussion

 


Abstracts

Tiere von Nomaden in der südlichen Levante der Eisenzeit. Eine Synopse bibelexegetischer, zooarchäologischer und ikonographischer Forschung.

Thomas Staubli

Die Geographie der Levante ist gekennzeichnet durch eine extreme Dichte unterschiedlichster Klima- und Vegetationszonen auf engstem Raum, sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen. Dazu kommt die geopolitische Schlüsselposition zwischen drei Kontinenten, die die Region immer wieder zum strategischen Zankapfel von Großmächten werden ließ. Diese Gegebenheiten bilden den Rahmen für vielfältige Interaktionen zwischen Lokalnomaden, Protobeduinen und Sesshaften, für die Ziegen, Schafe, Rinder, Esel, Kamele und Pferde Lebensgrundlage, Status- und Gruppensymbole darstellen.


Die Darstellung von Dromedaren und Trampeltieren in der neuassyrischen Flachbildkunst

Rainer Czichon

Insbesondere Dromedare, in kleinerem Umfang aber auch Trampeltiere werden auf neuassyrischen Flachbildern in der Zeit von Salmanassar III. bis zu Assurbanipal abgebildet.

Ausgehend von der Darstellungsweise der Tiere selbst und dem bildlichen Kontext, in dem sie erscheinen, werden sowohl Rückschlüsse auf ihren Stellenwert innerhalb des neuassyrischen Reiches gezogen als auch ihr möglicher Symbolcharakter diskutiert. Dabei werden zoologische, osteoarchäologische und philologische Quellen miteinbezogen.


Does intra-tooth strontium stable isotope analysis of sheep provide coherent answers to the Bronze Age herd mobility in Syria?

Marjan Mashkour, Emmanuelle Vila, Yann Lahaye

The history of the Near and Middle-East cannot be dissociated from pastoral nomads relying on sheep/goat herding, the moving capital of the society. This paper presents the first results of a multi-disciplinary project "origins of nomadism in northern Mesopotamia during the fourth and third millennium BC". Investigations are carried out on the basis of archaeozoology and biochemistry. Methodological advances in these disciplines make it possible to evidence seasonal movement of people and their herds. Stable isotope intra-tooth analysis of sheep and goats provides an individual time scale history for each animal. The analysis of modern known-history animals from the studied region having moved (transhumed) or not during their life time and comparison with archaeological material from potential bedouin sites in the same regions provide an original and coherent set of archaeometric data. These first results seem to match the archaeological hypothesis for presence of South /North, West/ East direction herd mobility during the fourth and third millennium BC.


Zur Kamelbeschreibung in der arabischen Dichtung

Anna Akasoy

Gedichte sind eine der wichtigsten Textquellen für das Leben auf der arabischen Halbinsel in vor- und frühislamischer Zeit. Kamele zählen zu den Protagonisten dieser Gedichte, die sich durch Varianten auf fest bestehende Topoi auszeichnen, wobei der Dichter seine Qualitäten durch genaue Beobachtungsgabe und "Witz" erweist. In späterer Zeit entwickelt sich die Kamelepisode zum festen Bestandteil der Qaside.

Um vor- und frühislamische Gedichte in ihrer historischen Aussagekraft beurteilen zu können, ist es notwendig, zwischen verschiedenen Bezugspunkten im Gedicht zu differenzieren. An einer Stelle spielt der Dichter beispielsweise mit der poetischen Tradition, an einer anderen Stelle lässt er sich von seiner unmittelbaren Umgebung inspirieren. In meinem Beitrag werde ich die Geschichte und Struktur der Kamelepisode im Kontext allgemeiner Entwicklungen der vor- und frühislamischen Dichtung vorstellen und eine Kategorisierung der unterschiedlichen kamelbeschreibenden Elemente vorschlagen.


Herdentiere als Grenzgänger – Wildnis, Wild und Herdentiere am Beispiel der nomadisierenden West-Tyva im Süden Sibiriens.

Anett Christine Oelschlägel

Die nomadisierenden West-Tyva in Südsibirien (Russische Föderation) bauen ihre Jurten in der Taiga und in der Steppe auf. Das Leben in der Wildnis, häufig weit ab von größeren Siedlungen und Städten, hat nachhaltig ihre Sicht auf die Umwelt geprägt. Diese, vielen Tyva eigene Umweltwahrnehmung spiegelt sich auch in der religiösen Bedeutung ihrer Herdentiere wieder, welche in nahezu allen religionsethnologischen Arbeiten zu Tyva kaum Berücksichtigung finden.

Im Zentrum des Vortrages stehen die Organisation des Raumes bei den nomadisierenden West-Tyva und deren Einfluss auf die in verschiedenen Räumen lebenden Wesen, wie Menschen, Herdentiere und Wildtiere. Erörtert werden genannte Themen anhand jüngster empirischer Daten nach einer einjährigen Feldforschung von Juli 2004 bis Oktober 2005.


Pferdenomaden in der Mongolei. Tradition unter dem Druck der Wirtschaftlichkeit

Rolf-Peter Lacher

Zwar gab es immer große Unterschiede im Ausmaß des Nomadisierens in den einzelnen Gebieten. Aber die neue Beweglichkeit verstärkt die Unterschiede. Viele Nomadenfamilien besitzen Traktoren und Lastkraftwagen und sind dadurch gezwungen, Leistungen zu bezahlen, die sie von außerhalb des Nomadentums beziehen. Daher bauen sie große Herden an Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden auf und zerstören auf mittlere Frist ihre Lebensgrundlage. Die Folgen sind Konflikte zwischen den Nomadenfamilien und der Versuche, sich in den zentralen Aimaks der Mongolei niederzulassen. Ungeachtet dessen lebt die Tradition fort: beim Umzug in neue Weidegründe haben Eltern und Kinder ihre herkömmlichen Aufgaben.


Herd following, herd accompanying, herd control: Decision making and mobility among Eurasian reindeer herders

Florian Stammler

In the German geographic and ethnographic literature, there is a wide discourse about the evolution of reindeer breeding and how this is connected with the continuous gaining of control over herds of semi-domesticated reindeer. Several decades later, this discourse reappeared in a slightly different context in the well known anthropological journal "Current anthropology" with reference to herd control among North American Natives.

This contribution brings these two strings together, and investigates current variations and extents of decision making in mobile pastoralism.

In order to illustrate the relevance of this topic, I shall report from recent fieldwork among a community of private reindeer herders in Northwestern Russia, which had to re-invent a regime of annual migration after separating from a socialist collective enterprise.

The questions I explore centre on "who decides on where to move and when and why?" or in other words "to what extent do humans impose decisions on animals during annual pastoral migrations, and to what extent do they follow the pattern displayed by the natural instinct of the animals?"

Answers to these questions are expected to be very diverse among different communities, even within a region like the Russian Arctic, and exploring this diversity may provide us with important insights into the relations between humans and animals in pastoralism.