Projektleiter

Prof. Dr. Hans-Werner Fischer-Elfert

Bearbeiterin

Dr. Claudia Näser
Jana Helmbold-Doyé

Projektbereich D: Integration und Absorption, Teilprojekt D2

Eine Archäologie der Interaktionen: nomadische Gruppen, rurale Bevölkerungen und ägyptische Eroberer in Unternubien im Neuen Reich
(2. Hälfte 2. Jahrtausend v. Chr.)

Programm

Im Neuen Reich (ca. 1550 bis 1070 v. Chr.) expandierte der ägyptische Staat zum wiederholten Mal in das südliche Niltal. In Unternubien traf er dabei auf drei Bevölkerungsgruppen: die nomadische pan-grave-Kultur, die C-Gruppe, eine rurale Bevölkerung geringer sozialer Komplexität, und Vertreter des obernubischen Königtums von Kerma, das seine Herrschaft kurze Zeit vor der ägyptischen Expansion in diesen Raum ausgedehnt hatte. Die Interaktionen innerhalb dieser Gruppen sowie zwischen ihnen und den ägyptischen Eroberern in der Folge der Okkupation sind der Gegenstand des Teilprojekts D2.

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden die archäologischen Hinterlassenschaften von Aniba, die 1912, 1914 und 1931 von der Ernst von Sieglin-Expedition des Leipziger Ägyptologischen Instituts erforscht wurde. Aniba war der Sitz der ägyptischen Verwaltung Unternubiens und gleichzeitig ein Zentrum der lokalen Bevölkerungen. Der historischen Bedeutung des Ortes entspricht die Komplexität seiner archäologischen Zeugnisse. Sie umfassen eine befestigte Stadtanlage, mehrere Siedlungen der C-Gruppe, ausgedehnte Gräberfelder der C-Gruppe und der pan-grave-Kultur sowie zwei Nekropolen mit ägyptischen Charakteristika.

In der Folge der ägyptischen Okkupation verschwinden die lokalen Bevölkerungen Unternubiens innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem archäologischen Befund. Mit Blick auf die weiterhin existenten Gräberfelder mit ägyptischen Charakteristika erklärt die bisherige Forschung  diesen Befund pauschalisierend mit einer radikalen Akkulturation an die Eroberer. Unbeachtet bleibt, dass eine solche Akkulturation lediglich eine Folge und Erscheinung vielfältiger Interaktionen zwischen den einzelnen Lebensformgruppen darstellt. Im vorliegenden Fall bildete sie – so die Arbeitshypothese – eine spezifische Strategie der nomadischen und ruralen Gruppen, mit der Veränderungen ihres sozialen Gefüges und im Verhältnis zu den ägyptischen Eroberern angestrebt wurden. Dieses Phänomen stellt den ersten Punkt der Untersuchung dar.
Den zweiten Punkt bilden die Konkreta der Beziehungen zwischen den Lebensformgruppen, allen voran Formen des Gütertausches und des Technologietransfers. Zu fragen ist dabei auch nach den Modalitäten des Transports der ökonomischen und kulturellen Einflüsse und nach der Lokalisierung ihrer Quellen im ägyptischen Mutterland.

Im ersten Antragszeitraum wird sich das Projekt auf Aniba, das auf Grund seiner historischen Bedeutung und der Materialfülle eine Schlüsselstellung einnimmt, konzentrieren. Eine regionale Erweiterung soll im Rahmen einer Pilotstudie erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass der Zentrumscharakter von Aniba zwar auf günstigen mikrogeographischen Bedingungen basiert, aber angesichts anderer Optionen – gerade für die nomadische Bevölkerung – eine über ökologische Determinanten hinausgehende intentionale Gestaltung von Kontaktzonen belegt.

Publikationen

Prof. Dr. Hans-Werner Fischer-Elfert

Sedentarism and Nomadism as Criteria of Ancient Egyptian Cultural Identity. In: S, Leder / B. Streck (Hg.): Shifts and Drifts in Nomad-Sedentary Relations. Wiesbaden 2005 (Nomade und Sesshafte 2), 327-349.


Dr. Claudia Näser

Ethnoarchäologie, Analogie und Nomadismusforschung. Eine Einführung mit einer Fallstudie aus Nordostafrika. In: Mitteilungen des SFB “Differenz und Integration” 8, OWH 17 (2005), 17-42.

Ethnoarchaeology, Analogical Reasoning, the Question of Universals – and the Archaeology of Nomadism. In: S.R. Hauser (Hg.): The Visibility of Nomads and Seasonal Occupation in the Archaeological Record. Multidisciplinary Approaches to a Methodological Problem. Wiesbaden (Nomaden und Sesshafte) (im Erscheinen)

Structures and Realities of Egyptian-Nubian Interactions from the Late Old Kingdom to the Early New Kingdom. In: S.J. Seidlmayer/D. Raue/P. Speiser (Hg.): The First Cataract: One Region – Various Perspectives. Proceedings of an International Workshop, 3-5 September 2007, Berlin. (im Erscheinen)

Nomads at the Nile. Towards an Archaeology of Interaction. In: H. Barnard/K. Duistermaat (Hg.): The History of the Peoples of the Eastern Desert from Prehistory to the Present. Proceedings of a Conference at the Netherlands-Flemish Institute in Cairo and the Cotsen Institute of Archaeology at UCLA, 25-27 November 2008. Los Angeles. (im Erscheinen)