Nomaden und Sesshafte
Diese Schriftenreihe wird die Forschungsergebnisse des SFB 586 Differenz und Integration umfassen.
Herausgegeben von Stefan Leder und Bernhard Streck in Verbindung mit den Bandherausgebern.
Erscheinung in loser Folge im Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden.
Zur Einführung
Nomadische und sesshafte Lebensformen koexistieren in weiten Teilen der Welt, insbesondere im altweltlichen Trockengürtel, seit mehreren tausend Jahren. Die Erforschung ihrer Interaktion soll in der Reihe Nomaden und Sesshafte dokumentiert werden. Erst seit vergleichsweise wenigen Jahren hat die Einsicht an Geltung gewonnen, dass Nomadismus als Teil übergreifender ökologischer, ökonomischer, politischer und kultureller Systeme in den Blick genommen zu werden verdient, weil Formen des Kontakts mit der Welt der Sesshaften historische Zivilisationen über lange Zeiträume mitgeprägt haben und noch heute, unter anderen Bedingungen, Wirkung entfalten. Austausch und Konflikt zwischen Nomaden und Sesshaften, wie auch Prozesse der Anpassung und Abgrenzung haben sich auf unterschiedliche Lebensbereiche ausgewirkt. Ökonomie und Militärwesen, politische und soziale Ordnungen, Sprache und in Kunst, Vorstellungswelten und Identitätskonstruktionen geben dies zu erkennen. Mit der Wahrnehmung der Vielfalt und Wirkmächtigkeit dieser Interaktion ist eine Forschungsperspektive angelegt, welche die Aufgaben des 2001 einrichteten Sonderforschungsbereichs "Differenz und Integration – Wechselwirkung zwischen nomadischen und sesshaften Lebensformen in Zivilisationen der Alten Welt" bestimmt.
Der interdisziplinäre Rahmen des Sonderforschungsbereichs erlaubt die Beteiligung mehrerer Disziplinen, wie Archäologie und Geschichte, Literaturwissenschaft und Ethnologie, Geographie und Agrarökonomie; ihr Zusammenwirken verspricht Erträge, die eine Vielzahl von Perspektiven und Wissensbereichen erschließen. An dieser Stelle sollen aber nicht nur die Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs publiziert werden. So ist auch der erste Band kein unmittelbarer Ertrag dieses Projekts; denn Eva Orthmanns Studie über das Wirken arabischer Stämme im 8. und 9. Jahrhundert in einem Zentralgebiet des islamischen Reichs ist entstanden, als sich das Konzept für eine interdisziplinäre, konzertierte Zusammenarbeit zur Erforschung der wechselvollen Koexistenz nomadischer und sesshafter Lebensformen noch in der Planung befand. Auch in Zukunft können Studien, die sich in den thematischen Rahmen der Reihe fügen, hier Aufnahme finden. Der erste Band befasst sich mit arabischen Stämmen als Organisationsform und als Ordnungsvorstellung. Inwieweit Stämme politisches und soziales Handeln der Akteure bestimmt haben, und inwieweit das konventionelle Konzept einer nach Stämmen und Stammesverbänden gegliederten Gesellschaft die Wahrnehmung historischer Prozesse mitbestimmt hat, wird hier exemplarisch untersucht. Dabei kommen nomadische u und sesshafte Lebensverhältnisse in enger Verbindung in den Blick.
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von Ingo Breuer Das Alltagsleben in den ariden Gebirgs- und Wüstenregionen Marokkos erfährt seit einigen Jahrzehnten tiefgreifende Veränderungen. Während einige Nomaden noch scheinbar traditionell wirtschaften, sind Lastwagen und Mobiltelefon für andere längst Teil des Alltags. Und während einige Familien erfolgreiche Unternehmen aufbauen, deren Aktionsradius bis nach Europa reicht, suchen viele der Jüngeren ihr Glück als Wanderarbeiter in den boomenden marokkanischen Großstädten. Für verschiedene soziale Gruppen bergen diese neuen Dynamiken jedoch unterschiedliche Chancen und Risiken: Biographien erstaunlichen sozialen Aufstiegs finden sich unmittelbar neben Alltagsszenarien extremer sozialer Verwundbarkeit und Armut. Hier setzt die vorliegende Studie an und analysiert anhand lokaler Fallstudien die Zusammenhänge zwischen Existenzsicherungsstrategien, Ressourcenverfügung und Mobilitätsmustern. Im Mittelpunkt stehen dabei Prozesse ökonomischer und sozialer Differenzierung, neue Formen von Mobilität und die Herausbildung neuer Muster existenzieller Sicherheit und Unsicherheit. Auf zweijährigen Feldforschungen beruhend, verschränkt die Studie quantitative und qualitative Ansätze der empirischen Sozialforschung und zeigt auf, wie aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse die Lebensbedingungen in den ländlichen Räumen Nordafrikas prägen. |
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Hg. von Stefan Leder und Bernhard Streck
The studies contained in this book focus on the imprint of interrelations on nomadic and sedentary societies. The authors, anthropologists and historians, have examined a wide range of nomad-sedentary relations and have discussed the effects of these interrelationships. Their enquiry exposes many facets of the diversity and flexibility characteristic of nomadic economies, social organization and practices, as they explain how these determine, or result from, interaction with sedentary social environments. The topics include ancient Egypt, North-Africa in Roman antiquity, the Near East from late antiquity till modern times, East-Africa, Iran and Central Asia, as well as gypsy groups in Turkey and the Black Sea area. This comparative perspective, and also observations concerning the fluidity of boundaries between both ways of life have encouraged the development of a deeper understanding of the systematic aspects of nomadic life. Historical case studies have detected nomad-sedentary relations in several fields, such as military organisations, administration and political institutions. Their analysis correlates historical incidence to circumstantial and recurrent conditions. The authors also point out that nomadic, and particularly Arab Bedouin legacy have given rise to discursive practices and mental attitudes. The assertions and assignments of nomad identities therefore tend to appear as self-regulating social realities, being rather disconnected from mobile pastoral existence, and thus contribute to the interrelatedness of both worlds. Features of Nomadic Existence – In Between and Beyond Common Distinctions
Constituents of Interrelation: Military Power, Economy, State Policies
Conceptions and Perceptions of Nomadic Identity
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