Projektleiter

Prof. Dr. Jürgen Paul

Bearbeiter

Dr. David Durand-Guédy
Daniel Zakrzewski, M.A.
Jerome Hoefer (ausgeschieden)

Projektbereich B: Konflikt und Kontrolle, Teilprojekt B8

Nomadische Herrschaft im sesshaften Kontext:
Staaten, Städte, Hinterland in Iran vom Beginn der türkischen Herrschaft bis zu den Mongolen und Timuriden (11.-15. Jh.)

Programm

Das Teilprojekt untersucht in zwei Arbeitsfeldern Veränderungen in Bezug auf die räumliche Konstruktion von Herrschaft, die in Iran mit der Etablierung von Dynastien nomadischen Ursprungs eintraten. Die Grundthese ist, dass seit der seljūqischen Eroberung im 11. Jahrhundert und mit den ihnen folgenenden turko-mongolischen Dynastiebildungen sich in Iran Formen von Staatlichkeit ausbildeten, in denen das herrscherliche Lager als ein zentraler Herrschaftsort neben die Stadt getreten ist.

Im ersten Arbeitsfeld, „Ruling from the outside: Turkish Lords and Cities in Pre-Mongol Iran.” wird aus synchroner, großräumiger Perspektive der Frage nachgegangen, in wie weit mit der ethnisch-kulturellen Trennung zwischen den türkischen Herrschaftseliten und der iranischen Bevölkerung eine räumliche Trennung einherging. Der Fokus liegt dabei auf der späten Seljuqenzeit (12.Jh.), und die zu prüfende These ist dabei, dass mit der Herrschaft dieser tribal-türkischen Dynastie neue Formen von Staatlichkeit in Iran Einzug hielten: Es vollzog sich ein Wandel von konzentrischer Herrschaft mit der Stadt als Ausgangspunkt hin zu einer bipolaren Ordnung, in der Stadt und herrscherliches Lager gleichermaßen Zentren der Herrschaft bildeten.

Mit der Annahme, dass in einer solchen Herrschaftsstruktur, lokale Akteure größere Spielräume gewinnen, ist gleichsam eine Brücke zum zweiten Arbeitsfeld geschlagen: „The Hinterland and the City: Tabriz and its region from Seljūq to Timūrid Times (late 12th – mid 15th centuries)”. Hier wird mit Tabriz eine wichtige Metropole Westirans in den Mittelpunkt gestellt und unter Einbeziehung ihres Umlandes aus diachroner Perspektive in Bezug auf die lokale Organisation von Herrschaft hin untersucht. Dabei soll zum einen die physische Gestalt von Stadt und Region, vor allem mit ihren Festungsbauten, Weidegebieten und anderen herrschaftsrelevanten Ressourcen in der fraglichen Zeit rekonstruiert werden. Ein anderes Ziel besteht darin, zentrale Akteure und Gruppen im urbanen Raum zu identifizieren und unter dem Gesichtspunkt von political agency ihre Beziehungen zu den nomadischen Herrschaftseliten zu analysieren.

In beiden Arbeitsbereichen muss in erster Linie auf Textquellen zurückgegriffen werden, deren Spektrum von dynastischer Historiographie, über biographische Handbücher und hagiographische Werke bis zu Dichtung reicht. Das Teilprojekt nimmt insgesamt den Titel „Nomadische Herrschaft im sesshaften Kontext“ aus einer früheren Projektphase wieder auf und schließt mit seiner Konzentration auf Westiran wie auch mit seinem zeitlichen Fokus eine Lücke zu den bisher gewonnenen Erkenntnissen über Nomaden und Staatsbildungen in Zentralasien im 16. und 18. Jahrhundert.


Prof. Dr. Jürgen Paul

The State and the Military – a Nomadic Perspective. In: Mitteilungen des SFB "Differenz und Integration" 5 (2003), 25–68.

Nomaden in persischen Quellen. In: Mitteilungen des SFB "Differenz und Integration" 1 (2002), 11–40.

(Hg.): Katalog sufischer Handschriften aus der Bibliothek des Instituts für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften, Republik Usbekistan. Stuttgart 2002 (Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland, Supplementband 37).

The Histories of Isfahan: Mafarrukhi's Kitâb mahâsin Isfahân. In: Iranian Studies 33 (2000), 117–132.

The Histories of Herat. In: Iranian Studies 33 (2000), 93–115.

Doctrine and Organization. The Khwâjagân-Naqshbandîya in the First Generation after Bahâ'uddîn. Berlin/Halle 1998 (ANOR 1). Russische Übersetzung als: "Doktrina i organizacija Chwadzhagan-Naqšbandija v pervom pokolenii posle Bacha' ad-dina" (Übersetzung: E. Berezina). In: A. Chismatulin (Hg.): Sufizm v central'noj Azii. Zarubezhnye issledovanija. Sankt Peterburg 2001, 114–199.

Herrscher, Gemeinwesen, Vermittler: Ostiran und Transoxanien in vormongolischer Zeit. Stuttgart 1996 (Beiruter Texte und Studien 59).

The State and the Military: The Samanid Case. Bloomington (Ind.), 1994 (Papers on Inner Asia 26).

The Histories of Samarqand. In: Studia Iranica 22 (1993), 62–92.

Die politische und soziale Bedeutung der Naqšbandiyya in Mittelasien im 15. Jahrhundert. Berlin 1991.

Hagiographische Texte als historische Quelle. In: Saeculum 41 (1990), 17–43.


Dr. David Durand-Guédy

(Hg.) Turko-Mongol Rulers, Cities and City Life, Brill, Leiden, Veröffentlichung geplant für 2012.

‘The tents of the Saljuqs’, in D. Durand-Guédy (Hg.), Turko-Mongol Rulers, Cities and City Life, Brill, Leiden, Veröffentlichung geplant für 2012.

‘Ruling from the outside. A new perspective on early Turkish kingship in Iran’, in L. Mitchell and C. Melville (Hg.), Every Inch a King: Comparative Studies in Kings and Kingship in the Ancient and Mediaeval Worlds, Brill, Leiden, Veröffentlichung geplant für 2012.

‘Goodbye to the Turkmens? The Military Role of Nomads in Iran after the Saljūq Conquest’, in K. Franz and W. Holzwarth (Hg.), Nomadic Military Power, Iran and adjacent areas in the Islamic period, Wiesbaden, Reichert Verlag, Veröffentlichung geplant für 2012.

‘Where did the Saljūqs live? A case study based on the reign of sultan Mas‘ūd b. Muḥammad (1134-1152)’, Studia Iranica, 2011, 42, S. 211-58.

‘The Türkmen-Saljūq relationship in twelfth-century Iran: New elements based on a contrastive analysis of three inshāʾ documents’, in J. Büssow, D. Durand-Guédy and J. Paul (Hg.), Nomads in the Political Field, Sonderausgabe von Eurasian Studies, 9(1-2), 2011, S. 11-66.

Iranian Elites and Turkish Rulers: A History of Iṣfahān in the Saljūq Period, London and New-York, Routledge, 2010.


Daniel Zakrzewski, M.A.

Terms of politics and pastoral nomadism in two works of fifteenth-century Persian historical writing, in: Johann Büssow, David Durand-Guédy, Jürgen Paul (Hgg.): Nomads in the political field, Eurasian Studies IX (2011) Special Issue, S. 159-185 .

Review article – Richard W. Bulliet, Cotton, Climate, and Camels in Early Islamic Iran: A Moment in World History, Columbia University Press, New York 2010, in:  Johann Büssow, David Durand-Guédy, Jürgen Paul (Hgg.): Nomads in the political field, Nomadic Peoples XV/1 (2011) Special Issue, S. 148-150.

Schahsevan, in: Annegret Nippa (Hg.): Kleines abc des Nomadismus. Publikation zur Ausstellung „Brisante Begegnungen. Nomaden in einer sesshaften Welt“ vom 17.11.2011 – 20.05.2012 im Museum für Völkerkunde Hamburg, S. 194-195.

mit Annegret Nippa: Wolle, in: Annegret Nippa (Hg.): Kleines abc des Nomadismus. Publikation zur Ausstellung „Brisante Begegnungen. Nomaden in einer sesshaften Welt“ vom 17.11.2011 – 20.05.2012 im Museum für Völkerkunde Hamburg, S. 246-248.

„Mit Gott und Frankreich“. Zum Verständnis von Nation und Republik in Schriften des algerischen Reformtheologen Ibn Bādīs zur Zeit der Volksfrontregierung (1936-1938), Islamkundliche Untersuchungen 307, Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2012 (im Druck).