Projektbereich C: Kontrolle und Anbindung, Teilprojekt C6

Nomaden und Seßhafte – Nordmesopotamien während der Arsakiden- und Sasanidenzeit

Programm

Koexistenz von Nomaden und Seßhaften und ihre politische und wirtschaftliche Interdependenz sind Grundkonstanten nordmesopotamischer Geschichte. Gebiete, die für Regenfeldbau mit einhergehender Seßhaftigkeit vorzüglich geeignet sind, gehen dort bruchlos in eine aride Steppe über, in der pastoraler Nomadismus die Norm ist. Die Grenzen der jeweiligen Landnutzung und die Bedingungen des jeweiligen Austausches zwischen den Bevölkerungsgruppen ändern sich dabei in Abhängigkeit von ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. Das Teilprojekt C6 analysiert das komplexe Zusammenspiel dieser Faktoren und ihre Auswirkungen während der Arsakiden- und Sasanidenzeit (2. Jh. v. Chr. bis 7. Jh. n. Chr.).

Am Rande der Steppe und zwischen den Großmächten der damaligen Zeit, dem Arsakiden-(Parther-)reich und dem Römischen Reich, bildet sich im 1. Jh. n. Chr. ein von nomadischen Stämmen getragenes, städtisches Zentrum heraus, Hatra. Diese Stadt entwickelt sich im 2. Jh. in eine stark umwallte, über 300 ha umfassende Anlage mit zentralem Temenosbereich. Die Bedeutung Hatras wird u.a. deutlich in den mehrfachen, vergeblichen Versuchen römischer Kaiser, die Stadt zu erobern. In den sechziger Jahren des 2. Jh. nimmt der Herrscher Hatras des Titel 'König der Araber' an. Dessen Bedeutung ist in der Forschung umstritten. In der ersten Förderphase des Teilprojektes, das erst im Februar 2003 begann, werden zunächst die Gründe für die Herausbildung der Stadt vor dem Hintergrund der ökonomischen und politischen Interaktion von Nomaden, Seßhaften und Staat diskutiert. Anschließend steht die Frage der Beziehungen zwischen der Stadt, dem 'König der Araber' und den Großmächten, insbesondere dem Arsakidenreich, im Mittelpunkt. Die Funktion Hatras wird dabei als dimorph, als Bindeglied zwischen Nomaden und Staat, beschrieben.

Dabei spielt die Evaluation der Raumnutzung des Hinterlandes von Hatra eine wichtige Rolle. Archäologische Untersuchungen in der Jazira, der Region zwischen Euphrat und Tigris, belegen für die Arsakidenzeit eine hohe Zahl von Siedlungen, teilweise städtischen Formats, in Bereichen der Steppe, die nach heutigen Klimadaten keine ausreichende Subsistenzgrundlage für Seßhafte bieten können. Diese Siedlungen wurden während der Sasanidenzeit aufgegeben. Statt dessen wurden zahlreiche neue Städte und Dörfer in sicheren Regenfeldbaugebieten weiter nördlich angelegt. Große Städte entstanden zudem entlang des Tigris und in den osttigridischen Ebenen. Die Nutzung der Steppe fiel an nichtseßhafte Nomaden zurück. Da eine gegenüber heute grundlegend veränderte klimatische Situation auszuschließen zu sein scheint, müssen wir nach menschlich induzierten Bedingungen für diese Siedlungsbilder fragen. Deren Erforschung durch Kombination schriftlicher und archäologischer Quellen, nicht zuletzt durch einen intensiven archäologischen und geomorphologischen Survey vor Ort, der mit detaillierten Luftbildanalysen verbunden werden soll, steht im Zentrum der geplanten zweiten Phase dieses Projektes. Diese erweitert die Untersuchung auch auf einen Vergleich der Situation in Hatra mit Palmyra und al-Hira, da so die einzelnen Faktoren vielfach paraller, Entwicklungen stärker herausgearbeitet werden können. In der Kombination vielfältiger Methoden sollen die Prozesse der Herausbildung von Hierarchien innerhalb von Stämmen und Stammesverbänden, die Ansiedlung von Nomaden und veränderte Konzepte von Raumnutzung am Rande von Staaten am Beispiel Hatras und Palmyras exemplarisch dargestellt werden.

Publikationen

Prof. Dr. Gunnar Brands

Pilgerfahrt und Wallfahrtsstätten im spätantiken Orient. In: S. Gralla (Hg.): Oriens Christianus. Geschichte und Gegenwart des nahöstlichen Christentums. Münster 2003 (Villigst Profile 1), 15 ff.

mit H.-G. Severin: Die spätantike Stadt und ihre Christianisierung. Wiesbaden 2003.

Die Bauornamentik von Resafa-Sergiupolis. Studien zur spätantiken Architektur und Bauausstattung in Syrien und Nordmesopotamien. Mainz 2002 (Resafa VI).

Anmerkungen zu spätantiken Bodenmosaiken aus Nordsyrien. In: Jahrbuch für Antike und Christentum 45 (2002). Im Druck.

Die Entstehung einer Stadt. In: U. Peschlow/S. Möllers (Hg.): Forschungen zur Kunstgeschichte und Christlichen Archäologie 19. Stuttgart 1998, 59 ff.

Der sogenannte Audienzsaal des al-Mundhir in Resafa. In: Damaszener Mitteilungen 10 (1998), 211 ff.

Ein spätantikes Bronzegewicht im Yemen. In: Archäologischer Anzeiger 1998, 483 ff.

mit W. Hoepfner: Basileia – Die Paläste der Hellenistischen Könige. Mainz 1996.


Prof. Dr. Felix Blocher

Chronological Aspects of the Karum Period. In: M. Bietak (ed.): The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the 2nd Millennium B.C. II. Wien 2003, 377–382.

Assyrische Würdenträger und Gouverneure im 9. und 8. Jh. v. Chr. Eine Neubewertung ihrer Rolle. In: Altorientalische Forschungen 28 (2001), 298–324.

Nachlese zur Ikonographie des Mondgottes. Nabonids Stele aus Harran (H1B). In: R. M. Boehmer/J. Maran (Hg.): Lux Orientis. Archäologie zwischen Asien und und Europa. Festschrift für Harald Hauptmann. Rahden 2001, 45–50.

Sealing Tablets in Early Second-Millennium Babylonia. Wealth and Significance of the Yale Babylonian Collection. In: W. W. Hallo/I. J. Winter (eds.): Seals and Seal Impressions II. Bethesda 2000, 133–148.

mit D. Machule/P. Werner: Bericht über die Ausgrabungen in Tall Munbaqa/Ekalte 1999. In: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 132 (2000), 123–131.

mit D. Prechel: Eine Tontafel aus der Antikensammlung Bassermann-Jordan. In: Studies on the Civilization and Culture of Nuzi and the Hurrians 10 (1999), 379–392.

Wann wurde Puzur-Eschtar zum Gott? In: J. Renger (ed.): Babylon. Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne. Saarbrücken 1999 (Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft 2), 253–269.

Der Thronsaal Sargons II. – Gestalt und Schicksal. In: Altorientalische Forschungen 26 (1999), 223–250.

Siegelabrollungen auf frühaltbabylonischen Tontafeln in der Yale Babylonian Collection. Ein Katalog. München 1992.

Siegelabrollungen auf frühaltbabylonischen Tontafeln im British Museum. Ein Katalog. München 1992.


Dr. Stefan R. Hauser

mit A. C. Gunter (Hg.): Ernst Herzfeld and the Development of Near Eastern Studies, 1900–1950. Leiden (im Druck). Darin: (a) Introduction. The Development of Near Eastern Studies up to 1950; (b) History, Races, and Orientalism – Eduard Meyer, the Organization of Oriental Research, and Herzfeld's Intellectual Heritage.

German Studies in the Ancient Near East in their Relation to Political and Economic Interests from the Kaiserreich to World War II. In: W. G. Schwanitz (Hg.): Germany and the Middle East, 1919–1945. Princeton 2003 (Princeton Papers 11). Deutsch in: Comparativ 1/2004 (im Druck).

Archäologische Zeugnisse des Christentums im Sasanidenreich. Ein kritischer Überblick über die Evidenz und methodische Probleme der Erkenntnismöglichkeiten. In: J. Tubach/A. Mustafa (Hg.): Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich. Wiesbaden (im Druck).

"Greek in Subject and Style, but a little Distorted". Zum Verhältnis von Orient und Okzident in der Altertumswissenschaft. In: S. Altekamp/M. Hofter/M. Krumme (Hg.): Posthumanistische Klassische Archäologie. München 2001, 83–104.

Orientalismus. In: Der Neue Pauly. Bd. 15/1. Stuttgart/Weimar 2001, Sp. 1233–1243.

Babylon in der Arsakidenzeit. In: J. Renger (Hg.): Babylon – Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne. Saarbrücken 2000 (CDOG 2), 207–239.

Zur Datierung der arsakidischen Tetradrachmen. In: R. Dittmann u. a. (Hg.): Variatio delectat. Iran und der Westen. Münster 2000, 321–342.

Ecological Borders and Political Frontiers. The Eastern Jazirah in the Later Preislamic Period. In: L. Milano u. a. (Hg.): Landscapes – Territories, Frontiers and Horizons in the Ancient Near East. Bd. 2. Padua 2000, 187–201.

Archäologische Methoden. In: Der Neue Pauly. Bd. 13. Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 201–216.

Hatra und das Königreich der Araber. In: J. Wiesehöfer (Hg.): Das Partherreich und seine Zeugnisse. 1998 (Historia Einzelschriften 122), 493–528.